Blog Franziska

17.07.: Abschied

Anfang Juli hatten wir Besuch von den beiden JVs aus dem Kosovo. So waren wir viel in und um Tuzla unterwegs und realisierte gar nicht, dass der Monat meiner Ausreise angebrochen war. Da ich dann auch noch vier Tage frei hatte beschloss ich innerhalb von 20 Minuten mit den beiden mit in den Kosovo zu fahren, wo wir einige sehr schöne Tage verbrachten (mehr zu ihnen: https://eviundpaddiimkosovo.wordpress.com/category/allgemein/). Doch merkte ich auf der 16-stündigen Heimfahrt nach Tuzla, dass es schon seltsam war zu wissen, dass meine nächste längere Fahrt zurück nach Deutschland gehen würde (die auch noch kürzer dauer würde).Die nächsten Wochen verliefen ganz gewöhnlich, obwohl ich schon oft an meine Rückkehr dachte und es ein zwar allgegenwärtiges, aber noch entferntes Thema war. Und letzten Donnerstag kam dann der erste deutliche Schritt:eine meiner Kolleginnen fuhr am nächsten Tag in den Urlaub, weshalb ich schon mein Abschiedsgeschenk bekam und mich von eben dieser Kollegin verabschieden musste. Seit dem vergeht kaum ein Tag ohne ein "letztes Mal" (letztes Mal Miete zahlen, waschen,...) oder eine Verabschiedung von Kollegen, Künstlern oder Freunden. Währenddessen stell ich mir die Frage, wie ich die Abschiede denn am besten "feier" und ob ich bis zu meiner Abfahrt am Donnerstag Vormittag vielleicht doch noch Zeit für dieses oder jenes hätte...

Ich habe das im Vorfeld wirklich unterschätzt. Ich dachte, dass mir der Abschied relativ leicht fallen würde, da ich mich auf Zuhause freuen würde. Was ich dabei aber nicht bedacht hatte war, dass ich inzwischen auch hier ein Zuhause habe. Wie ich mein Zuhause in Deutschland letzten Sommer verlassen musste um zu dem in Bosnien zu kommen, muss ich nun dieses wieder verlassen, um wieder zu dem in Deutschland zu kommen. Ein wenig anders ist es schon, da ich in München viel länger lebte, Bosnisch nicht konnte und keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde. Aber bei diesem Abschied weiß ich eben nicht, wann ich wieder zurück kommen werde und es wird auf jeden Fall anders sein (neue Freiwillige in unserer Wohnung, meiner Stelle, wer weiß wie dann mein bosnisch noch sein wird und welche Freunde noch da sein werden,...). Doch auch dieses Mal frage ich mich, was mich nach meiner Ankunft erwartet: Studium, Umzug, alte Freunde, neue Freunde und Zeitvertreib. Was hat sich verändert und wo habe ich mich verändert?

 

So sehe ich meiner Abfahrt also mit gemischten und durchwachsenen Gefühlen entgegen.

 

Bis bald!

Franzi


24.06.: R&R: Ramazan und Reisen

Mein Juni fühlt sich weniger nach einem „normalen Arbeitsmonat“ an. Er begann mit dem Ramazan. Johannes und ich beschlossen es mal eine Woche auszuprobieren, da dieser Monat ein tragender Bestandteil des Islams ist, und laut Internet auch etwas, was die meisten Muslime praktizieren. Also standen Johannes und ich um 2 Uhr nachts zum „Sehr“ auf. Da wir wussten, dass es dann den ganzen Tag nichts mehr geben würde aßen wir viel und tranken was das Zeug hielt, um „vorzusorgen“. Das hatte zur Folge, dass ich die halbe Nacht wach im Bett lag und mir speiübel war, nicht schlafen konnte weil mein Bauch so voll war und die restliche Zeit aufs Klo rannte. Übermüdet kam ich in die Arbeit, wo es bis ca. 14 Uhr echt okay war. Aber ab da war ich einfach nur müde, fertig und schlecht gelaunt. Das fehlende Essen macht mir nicht zu schaffen, aber bei sommerlichen Temperaturen nichts trinken war echt etwas sehr Schweres. Nicht überraschend, als ich vor der Uhr saß und die Minuten zählte, bis ich nach etwa 18 Stunden endlich wieder trinken durfte (so gegen halb 9). Und dann war es Zeit fürs „Iftar“. Das ist das abendliche Fastenbrechen, das sehr gemeinschaftlich ist. Das habe ich oft schon vorher zubereitet, damit es dann pünktlich auf dem Tisch stand. Das war schon komisch Gemüse zu schneiden, ohne mal ein bisschen was zu naschen und auch mit dem würzen war es etwas schwierig, da ich ja nicht probieren durfte. Nach dem Essen ging es dann gleich ins Bett, um „vor zu schafen“, bis wir und wieder um 2 Uhr aus dem Bett quälten, in die Küche tapsten und dann, dieses mal weniger, ein Frühstück aßen, ohne Lust oder Hunger um dann um kurz vor drei den letzten Schluck Wasser zu trinken und dann wieder ins Bett zu kriechen. Und dann ging es wieder in die Arbeit, dann Heim, der halbstündliche Blick auf die Uhr, wann denn das Fastenbrechen war, der Spaß den wir dann beim Essen hatten. Doch nach drei Tagen beschloss ich dann auch über den Tag Wasser zu trinken. Grund dafür war, dass ich schlecht gelaunt, reizbar war und Schmerzen bekam, weshalb ich im Internet las, was Wasserentzug für den Körper bedeutet. Doch Ramazan ist nicht mur Fasten. Es geht darum zu erfahren, vieles zu überdenken (Gott, die Welt, sich selbst), Gutes zu tun (auch dadurch, dass man selbst erlebt, wie es ist Not zu leiden), und auf weltliche Genüsse zu verzichten (Alkohol, Zigaretten, sexuelle Praktiken). Doch wie man gut, freundlich und nachdenklich sein kann, ist mir ein Rätsel :D Nachdem ich begonnen habe Wasser zu trinken, konnte ich allerdings verstehen, dass man sich frei, leicht und ausgeglichen fühlt.

Und dann war auch schon der Tag da, an dem meine Eltern zu Besuch nach Bosnien kommen sollten. Nach dem wir uns Tuzla angeschaut haben ging es mit dem Auto über kleine Sträßchen durch Bosnien, an Orte, die ich selber noch nie gesehen habe. Zuerst ging es nach Srebrenica, eine Ortschaft an der Grenze zu Serbien, in der während dem Bosnienkrieg ein 8373 muslimische Männer von bosnischen Serben als Vergeltungsmaßnahme massakriert wurden. Ein Ort, in dem es scheint, als ob die Zeit dort stehen geblieben ist. Die Fabrikhalle, in der es stattfand, ist fast alles noch so, wie damals. Nur Bilder und Texte berichteten über die Motive, den Hergang und die Verurteilungen. Von da aus ging es weiter Richtung Süden in die Nähe von Foca, wo es einen der vielen Orte für Rafting gibt. Und ich muss zugeben, wie überrascht ich war. Ich bin hier einfach vor allem unsere Jala gewöhnt, der dreckig-stinkende Fluss, der durch Tuzla fließt. Doch die Tara und die Drina, auf der wir schipperten ist wohl der schönste Fluss, den ich je gesehen habe. Die Tara-Schlucht ist die tiefste und längste Schlucht Europas und gehört somit auch zu den größten der Welt. Die Tara selbst (der Hauptzufluss der Drina) ist von einer unglaublichen Farbe und zusätzlich glasklar, weshalb es echt wunderschön war! Von dort aus ging es weiter in den Sutjeska Nationalpark, einer der letzten Urwälder Europas, wo wir durch die Wälder wanderten. Von da aus fuhren wir noch weiter in die Berge bei Sarajevo. Eigentlich dachte ich ja, dass ich Bosniens Landschaft soweit kenne: Die sanften bosnischen Hügel und die schroffe Landschaft Herzegovinas. Aber dort waren wir echt in Bergen, die sowohl schroff, als auch bewaldet waren, mit riesigen Wiesen voller verschiedenster Blumen (sehr zum Entzücken meiner Mutter), einem Dorf, welches im Winter teilweise von der Außenwelt abgeschnitten ist, ein breites Hochtal, Schluchten und einen ordentlichen Sonnenbrand. Nach diesen sehr natur-intensiven Tagen ging es auf Städtetour: Sarajevo, Travnik, Jajce, Banja Luka. Alles schöne Städte, aber was mich auf der Reise vor allem erstaunt hat, war das Zusammensein mit meinen Eltern. Sonst war ich immer das Kind, auf Reisen organisierten meine Eltern, sie wussten Bescheid, haben sich um alles gekümmert. Doch dieses Mal war es anders. Doch um das zu berichten habe ich meine Mutter gefragt, die ihre Eindrücke geschildert hat (ein bisschen Abwechslung ist ja mal ganz schön und vielleicht ganz interessant, wie es von außen gesehen wird):

Lange ist es „nur“ Theorie: Wir werden Franziska in Bosnien besuchen“,  dann

wird es auf einmal immer mehr zur Realität: „In weniger als einer Woche werden

wir bei Ihr sein, werden wir sie nach 10 Monaten wieder in die Arme schließen

können, das ist fast nicht vorstellbar“, und ein paar Tage später sitzen wir im Auto

und die Fahrt geht wirklich los......

11 Stunden später: „Da ist sie!“, Franziska kommt aus einem Haus vor das Auto

gerannt, stürmische Umarmung, vertraute Begegnung, als ob wir uns erst vor

einer Woche gesehen hätten. Es ist so schön „unsere“ Franziska wieder zu haben, sie ist einfach unsere „Alte“ geblieben.

Wir durchstreifen mit ihr 10 Tage lang „Ihre“ Stadt und das Land. Dabei

beobachten wir immer mehr, unsere „Alte“ ist sie nicht geblieben, wir entdecken

ganz neue Seiten an ihr:

Beeindruckend ist einfach, wie sie mit den Menschen redet, wie locker sie mit

dem Kellner auf Bosnisch bespricht, was mein Mann essen könnte, da er kein

Gluten verträgt, wie sie per Handy es doch noch hin bekommt, dass wir unsere

einsam gelegene Unterkunft finden und, und, und.... Für uns klingt das in den

Ohren wie eine Abfolge von unverständlichen Silben. Man spürt, es macht ihr

richtig Spaß die Sprache zu sprechen und es geht uns durch den Kopf „Franziska, die in der Schulzeit die Sprachen nie so besonders mochte...“

Ihr Sprachkenntnis ermöglicht uns einen ganz anderen Zugang zur Kultur des

Landes. Ich erinnere mich an einen Urlaub in Griechenland, bei dem ich

Sprachkenntnisse so vermisst habe, weil ich einfach viel nicht lesen konnte, was

mich interessiert hätte. Sie hat durch ihre Sprachkennnisse aber ein ganz anders

Auge: so erkennt sie in einer großen, stillgelegenen Fabrikhalle die Abdrücke

einer Schrift in riesigen Lettern „Liebster Tito, wir beten dich an!“

Die „Eltern-Kind-Verhältnis“ hat sich verändert. Wir sind immer wieder auf sie

angewiesen, sie muss fragen, organisieren...... Schmunzeln musste ich, wenn

dann bei den Fahrten zwischendurch immer wieder von ihr die Frage kam:

„Geht’s Euch gut?“  Dass unsere Tochter immer eigenständiger wird

beobachteten wir bereits Zuhause, als die Skypabstände immer größer

wurden..... und wir uns sagten: Ja, sie scheint in ihrem Land Fuß gefasst zu

haben.

Wir erleben unsere Tochter locker, während wir durch die Straßen miteinander

gehen singt und summt sie vor sich hin. Wir gehen an ihre Arbeitsstätte und

spüren, wie gut sie dort angekommen ist, wie sehr sie dort gemocht wird. Sie

zeigt uns ihre Lieblingsorte in „Ihrer“ Stadt, zu manchen führt sie uns hin (z.B.

einen Park am Hügelrand von Tuzla), von manchen erzählt sie uns und zeigt sie

uns aus der Ferne (Ihr Lieblingscafe: „Dazu seid ihr aber zu alt, dass wir da

hineingehen können!“  Wir schmunzeln, ist voll in Ordnung, ja unsere Tochter wird erwachsen....)

Auf den Fahrten durch das wunderbare, beeindruckende Land erzählt sie viel aus

dem Alltag: Da wurde nach zwei Monaten Handwäsche endlich eine neue

Waschmaschine geliefert, aber nur geliefert und nicht angeschlossen. Da hat sie

dann kurz entschlossen zusammen mit Hanna, ihrer Mitfreiwilligen, die

Waschmaschine selber angeschlossen (Zuhause hätte das ganz klar mein Mann

gemacht).... Und dann in einem Nebensatz: „... da hatte ich einen Fahrradunfall

mit einem Auto, und ein paar blaue Flecken davon getragen“ (Wie gut, dass ich

als Mutter nicht alles sofort weiß!)

...und dann ist es auf einmal wieder ganz still im Auto, Franziska hat sich‘s

gemütlich gemacht und schläft.....wir, mein Mann und ich, schauen uns an,

lachen und sagen: „Jetzt, für einen kurzen Moment, wie zu alten Zeiten! “

Schön, an der Hand einer so erwachsen gewordenen Tochter ein Land entdecken zu dürfen!

 

 

Das war jetzt mal ein etwas anderer Einblick in unsere Reise, noch mehr Details, wenn ich in einem Monat wieder nach Deutschland zurückkehre. Ein Gedanke, den ich immer noch nicht glauben kann.

Doch diesen letzten Monat werde ich mit meinen Künstlern und Kollegen weiterhin genießen, während wir bei täglichen 30-35°C auf der Terrasse verbringen, nur unterbrochen wenn unsere Künstler zu unseren Physiotherapeuten in unser Schwimmbad dürfen, bei manchen eine ausschließlich positive Erfahrung, bei anderen eine Überwindung der Angst, doch am Ende ein Erlebnis, was sich meinen Künstlern zu folge jeden Tag wiederholen könnte...

 

Liebste Grüße aus meinem sehr sommerlichem Zuhause in Tuzla!

Franzi



Die "Kapija" (der Einschlagsort) und der gemeinsame Friedhof der Opfer

Wir beim Bemalen und Bepflanzen unseres neuen Beetes

25.5.: Kontakt mit dem Krieg und anderem Leben

 

Der 25.5 ist in Deutschland jetzt nicht gerade ein Tag, der besonders hervorsticht, oder mit dem viele Leute etwas verbinden (okay, dieses Jahr ist Christi Himmelfahrt auf diesen Tag gefallen). Hier ist das etwas anders. Obwohl Josip Broz Tito eigentlich am 7.Mai Geburtstag hatte, wurde dieser am 25.5 gefeiert. Grund dafür war wohl, dass er an diesem Tag knapp den deutschen Besatzern entkommen ist. Noch heute wird sein „Geburtstag“ gefeiert, wie beispielsweise in seiner Geburtsstadt Kumrovec (Kroatien), zu dem jährlich zwischen 5.000 und 10.000 Leute kommen. Doch hier in Tuzla hat dieser Tag eine etwas andere Bedeutung: Auch im Jahre 1995, das heißt während dem Bosnienkrieges, wurde dieser Geburtstag, der „dan mladosti“ (Tag der Jugend) gefeiert. Da es nach Wochen der erste schöne Tag waren, waren viele Tuzlaer auf den Straßen unterwegs, als um kurz vor 21 Uhr eine Granate im Stadtzentrum einschlug. Sie forderte 173 Verletzte und 71 Tote, von denen das jüngste Opfer zwei Jahre alt waren und nur 8 älter als 30. Damit gilt dieses als opferreichstes, durch nur eine Granate verursachtes, Massaker dieses Krieges. Um diesen Angriff erklären zu können muss ich etwas ausholen, werde es aber vereinfachen, weil dieser Krieg einfach extrem kompliziert zum erklären ist (ich bezweifel, dass ich das komplett verstanden habe). 1991, also zehn Jahre nach Titos Tod spalteten sich Kroatien und Slowenien von der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien ab. Auch Bosnien wollte ein eigenständiger Staat werden, allerdings leben hier, wie schon mehrmals berichtet, Kroaten, Serben und Bosnier. Doch da Serbien weiterhin ein Jugoslawien wollte, kam es zu Kämpfen zwischen bosnischen Kroaten und Bosniern (von Kroatien und später der UN unterstützt; die haben aber zwischen drin auch gegeneinander gekämpft)  und bosnischen Serben (welche von Serbien unterstütz wurden). Tuzla wurde im Verlauf des Krieges zur UN-Schutzzone erklärt, und allgemein war der Krieg hier nicht so ausufernd, da hier nicht so auf die „Ethnie“ geachtet wird. Wenige Tage vor eben diesem 25.5.1995 bombardierte die Nato Munitionslager der bosnisch-serbischen Armee. Als „Gegenzug“ wurde eben diese Granate geworfen. Doch damit hatte es keine Ende, da daraufhin die Nato erneut Luftangriffe flog, woraufhin die serbisch-bosnische Armee weiter Angriffe auf Zivilisten verübte. Erst als Nato-Soldaten als Geisel genommen wurden, endeten die Luftangriffe der Nato.

 

Als ich heute also in die Arbeit kam und fragte, warum denn das Radio nicht an ist, wurde mir von einigen meiner Künstler erklärt, dass es wegen des Jahrestages dieses Massakers ist. Daraufhin fuhr ich nach der Arbeit zum Platz, an dem die Granate einschlug. Vor der Gedenktafel waren unzählige Blumenkränze, Blumen, Kerzen oder Gedichte davor aufgestellt. Das „Schöne“ ist, dass alle 71 Opfer gemeinsam im nahegelegenen Park mit Blick auf die Stadt beerdigt sind. Auch dort war alles voll mit Blumen. Auf manchen gab es kaum noch Platz, auf anderen lagen nur vereinzelte. Nach 22 Jahren gibt es hier noch Personen, die her kommen und an die verstorbenen Personen denken und ein Gebet sprechen. Als ich da so durch den Park schlenderte kam mir die Frage, an was man 22 Jahre nach meinem Tod wohl erinnern wird? Und was hoffe ich, wird in Erinnerung bleiben?

 

 

 

Von diesem doch dunklem Kapitel Bosniens wenden wir uns der Hoffnung zu: dem Centar„Koraci Nade“, meiner Arbeitsstelle, die übersetzt „Schritte der Hoffnung“ heißt. (Was für ne Überleitung :-D Der Text über das Massaker hatte ich so eigentlich nicht eingeplant, deswegen hab ich ewig daran rumgebastelt…).

 

Schon oft habe ich erzählt, was ich spezifisch mache. Also im Moment malen, Blumen pflanzen, etwas anderes malen oder eben eine neue Mal-Idee ausprobieren :D  Am Anfang war ich doch etwas, wie soll ich sagen?, überrascht, wie modern und gut ausgestattet das Centar ist und habe mich gefragt, was ich denn dort mache. Sah ja alles schön und einfach aus. Doch mit der Zeit habe ich immer mehr mitbekommen, wie es hier eigentlich mit Integration und Förderung ist. Um da ein bisschen besser berichten zu können, habe ich bei Kollegen, Betroffenen und Eltern nachgefragt, was ich sehr interessant, manchmal frustrierend und berührend war. Vor der Einschulung machen die Kinder einen Test und wer den nicht besteht kommt meist auf die Förderschule (soweit ich weiß gibt es eine in Tuzla). Sehr groß wird da also nicht differenziert, wo die besondere Förderung nötig ist. Aber es gibt  auch Kinder(bei uns sind es ungefähr 8), die in eine Regelschule gehen. Darunter auch der Junge, mit dem ich dienstags in die Schule gehe. Allerdings sind einige meiner Künstler nur kurz oder nie in die Schule gegangen. Da es nicht viele Zentren wie das „Koraci Nade“ gibt, muss mindestens ein Elternteil zu Hause bleiben, um das Kind zu versorgen, was nicht bezahlt wird (in Deutschland kann man bis zu 4.000€ Betreuungskosten steuerlich absetzen). Das ist natürlich ein Einkommensausfall. Das durchschnittliche Monatseinkommen in BiH liegt bei 351€ (Deutschland:3451€, das ist fast 10 mal so viel), zwar sind die Lebenserhaltungskosten nur halb so viel, aber dennoch ist die Kaufkraft nicht sehr stark. Zusätzlich bekommt ein erwachsener Behinderter 201,50€ monatlich, und alle fünf Jahre das Recht auf einen Rollstuhl (400 Euro werden hier zu Verfügung gestellt). Von diesem Geld muss also Krankenkasse, ggf Windeln und spezielle Nahrung und der Gleichen gekauft werden und das „restliche Leben“ bezahlt werden. Hier gibt es aber keine Einheitlichkeit, sondern Unterschiede zwischen Stadt und Land und den einzelnen Kantonen. Da ist ein Zentrum, wie das „Koraci Nade“ natürlich eine Entlastung, aber auch ein Ort, in dem Eltern auf Seminaren und in Gesprächen lernen, wie sie ihr Kind am besten fördern können. Außerdem eine Möglichkeit der Isolation zu entkommen und Freundschaften zu schließen, sowohl zwischen den Eltern, als auch unsere Schützlinge untereinander (manche von ihnen kommen seit 23 Jahren). Es ist dort ein bisschen wie in einer großen Familie. Doch leider gibt es solche Zentren vor allem in großen Städten, weshalb manche mehr als eine Stunde zu uns gefahren kommen. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Förderungsgelder vom Staat von gering sind, von Jahr zu Jahr weniger werden und dann auch noch verspätet. So haben wir im Sommer das Geld für 2015 bekommen. Das „Koraci Nade“ ist deshalb auf Spenden von außerhalb angewiesen. Deshalb können neue Mitarbeiter eingestellt und Räume umgebaut werden, weshalb mehr Kinder zu uns kommen können. Dennoch bleibt die Frage, was mit den Kindern passiert, wenn ihre Eltern mal nicht mehr für sie Sorgen können. Eine Mutter erklärte mir, dass es für sie einfach körperlich immer schwerer wird, da sie selber über 60 ist und sie nicht weiß, wohin ihre Tochter mal kommt, wenn sie stirbt. Zwar gibt es schon Einrichtungen, aber die sind privat und dadurch sehr teuer, was sie von den monatlichen 200€ einfach nicht bezahlen kann.

 

Ein weiteres großes Problem sind die architektonischen Barrieren. Viele Orte sind nur mit Stufen ausgestattet, für alle die sich mit dem Gehen schwer tun ein Problem. Ich hab da in letzter Zeit drauf geachtet, keine Ahnung, ob es in Deutschland auch so extrem ist, aber kulturelle Städten, auch das Krankenhaus, Schulen, Parks, Gehwege besitzen keine Rampen oder Lifte. Beispiel die Schule, in die ich gehe ist äußerlich extrem modern, besitzt aber keinen Aufzug, weshalb der Junge, den ich begleite nicht mit seinem neuen Elektro-Rollstuhl kommen kann, sondern sein Vater den ganzen Tag mit ihm in der Schule ist und zum Unterricht trägt. Gestern war ich mit einer Freundin, die im Rollstuhl sitzt in der Stadt unterwegs, und  erst da, ist mir aufgefallen, wie viele Löcher im Gehweg sind, wie oft es keine Absenkungen an Bordsteinen und wie oft man Kaffees nur über Stufen erreicht, selbst im Park konnten wir irgendwann nicht weiter, weil die Stufen keine Rampe hatten. Zur Zeit gibt es aber Bemühungen, dass jeder mit Bedarf ein Recht auf einen persönlichen Assistenten hat, vielleicht wird dann auch die Barrierefreiheit immer mehr ein Thema und die Arbeitssuche. Natürlich ist auch das extrem schwierig, bis man einen Arbeitsplatz findet, denn man gut erreichen kann und die einen dann auch noch nehmen, da die Arbeitslosigkeit allgemein ja hoch ist.

 

 

 

So intensiv habe ich mich in Deutschland nicht mit diesem Thema beschäftigt, deshalb kann ich nicht sagen, wie die Situation in Deutschland ist. Aber erst jetzt ist mir bewusst geworden, wie wertvoll das „Koraci Nade“ mit seinen Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeut und unserem Gruppen-Therapie-Atelier ist. Und ich bin absolut kein Fan von Bettelbriefen, und das ist auch nicht der Zweck dieses Berichts, ich möchte einfach nur sensibilisieren wie ein Leben noch aussehen kann. Und genau da ist das Cenntar Koraci Nade za djecu sa visestrukim smetnjama“ (Zentrum Schritte der Hoffnung für Kinder mit erhöhtem Förderungsbedarf) meiner Meinung nach so unglaublich  wertvoll! Und deshalb möchte ich an dieser Stelle einfach auch mal darauf aufmerksam machen, dass es auch die Möglichkeit gibt das Koraci Nade zu unterstützen. Näheres findet ihr bei „Unterstützung“ oder schreibt mir gerne einfach mal. Sonst natürlich auch ;-)

Ich schließe mit den wahren Worten einer Mutter: „Ich versuche positiv zu bleiben! Rumheulen bringt nichts“

 

 

 

 

So, heute gab es mal wieder etwas mehr und vielleicht auch Verwirrenderes von meiner Seite…

 

Alles Liebe und lijep pozdrav!

 

Franzi

 

 

 

 

 



Herzegowinas Landschaft, Mostar, wir mit der "stari most", das Derwisch-Haus von außen und innen, die Kravice-Wasserfälle, Sarajevo mit muslimischem Friedhof, wir mit krasser heißen Schokolade, Sarajevos Innenstadt

Wir beim malen;            Wer Wurde da denn poträtiert? ;-)

26.04: Zwischen Ausnahme und Alltag

 

Der April, der weiß nicht, was er will. Definitiv! Am Anfang des Monats hatten wir beinahe 30 Grad, aber letzte Woche drei Tage Schnee. Auch sonst war dieser Monat sehr turbulent: Wir hatten alle Gäste da.

 

Anfang April kam meine Schwester Clara zu Besuch. Die Wochen davor war es für mich nicht vorstellbar, dass sie irgendwann wirklich hier sein würde. Nachts um halb eins sollte sie ankommen. Ich sage „sollte“ da es Probleme mit ihrem Bus gab, weshalb gefühlt jede Stunde eine neue Nachricht kam, wann sie jetzt ankommen würde. Schlussendlich stieg sie nachts um halb vier auf Simin Hans dunkler Straße. Nach sieben Monaten konnte ich sie endlich wieder in meine Arme schließen. Doch trotzdem hatte ich nicht das Gefühl sie so lange nicht mehr gesehen zu haben. Am nächsten Morgen ging es dann los nach Tuzla. Endlich „meine“ Stadt zeigen, Essen probieren, Geschichten erzählen und einfach gemeinsam Zeit verbringen. Es war schon irgendwie lustig  das zu zeigen, was für mich schon ganz gewohnt ist „normal“ ist, während Clara das alles das erste Mal gesehen hat. Aber Bosnien besteht ja nicht nur aus Tuzla, deshalb reisten wir auch ein bisschen rum. Sieben Stunden ging es mit dem Bus Richtung Süd-Westen nach Mostar. Obwohl das ja schon eine ganze Zeit dauert, war die Fahrt echt schön, weil wir eben die Veränderung der Natur sehr schön beobachten konnten. Mostar liegt nämlich nicht wie Tuzla in Bosnien, sondern in der Herzegowina. Dort sind die Hügel weniger bewaldet, dafür karger. Außerdem ist es dort viel wärmer (selten Minusgrade im Winter und im Sommer manchmal bis zu 40 Grad), weshalb die Bäume auch schon viel grüner waren. Mostar gehört mit Sarajevo wohl zu den bekanntesten Städten Bosnien-Herzegowinas. Grund dafür ist die „stari most“ (alte Brücke). Auch sonst ist die Stadt, obwohl klein, sehr schön, weshalb auch so viele Touristen dort sind. Auch in der Umgebung gibt es viele schöne Orte: da gibt es die „Kravice“ –Wasserfälle (warum sie „kleine Kühe“ heißen ist mir unklar ;-P). Auch die Mittelalterliche Stadt Pocitelj und der Wallfahrtsort Medugorje waren schön zu sehen. Aber was ich am beeindrucktesten fand, war Blagaj. Das ist ein altes Derwisch-Kloster, das direkt an einer Quelle gebaut ist. Dieser Ort hatte eine ganz besondere Atmosphäre. Schwer zu beschreiben woran das lag. Vielleicht am klaren blau des Flusses, der zwischen den Felsen hervor fließt, der steilen Felswand neben der das Kloster steht, oder liegt es daran, dass dies jahrelang ein Ort des Betens war? Heute gibt es dort keine Derwische mehr, aber man kann das Kloster besichtigen. Am Eingang bekamen wir Kopftücher und einen Rock, da meine Hose zu enganliegend war. Barfuß tapsten wir über Teppiche in die Räume, die Heim und Gebetsstädte für ihre Bewohner und Familien waren. Plötzlich stand ein Mann neben uns auf dem Balkon und begann zu singen. Es war Zeit für einen der fünf Gebetsrufe. Das war definitiv etwas Besonderes! Und wir werden wieder kommen müssen, da wir Wasser aus dem Fluss tranken. Es wird erzählt, dass wenn man aus dem Fluss trinkt irgendwann an der gleichen Stelle nochmal Wasser trinken wird. Ich komm also nicht umhin die Etage der Frauen (im Erdgeschoss) und die der Männer im Obergeschoss mit Räumen voller Teppichen, Gebetszimmer und Bädern.

 

Nach diesen sehr warmen Tagen in Mostar ging es dann nach Sarajevo, wo Clara Bosnien dann in Regen, Wolken und  Rauch kennen lernen durfte. Um der Kälte zu flüchten ging es immer wieder in Cafés, zum Aufwärmen und Kaffee/ Heiße Schokolade trinken. Neben dem guten bosnischen Kaffee haben wir uns auch sonst  kulinarisch nicht zurückgehalten und burek, sirnica, krompirsa, kolac, cevapi, strudla, corba, sir, cips, baklava und, und, und verspeist. Was soll ich sagen? Immer wieder ein Traum! Ein Traum wird deshalb wohl auch die Bikinifigur bleiben ;-)

 

Zurück in Tuzla war ich dann doch irgendwie aufgeregt Clara meine Arbeitsstelle zu zeigen. Grund dafür war, dass es anfänglich etwas schwer mit meinen Kollegen war. Was, wenn sie auch bei unserem Besuch auf Abstand bleiben würden und meine Schwester deshalb denkt, dass wir uns alle gegenseitig nicht mögen? Meine Sorge war unbegründet: Zwar waren „meine Künstler“ etwas eingeschüchtert und waren ganz leise, aber meine Kollegen stellten sich vor, forderten mich auf, alles zu zeigen und sowohl sie als auch die Kinder freuten sich mich zu sehen. Da in der Woche das Koraci Nade „Special Olympics“ hatte, wurde mir erzählt, welche Plätze gemacht wurden und gefragt, was wir denn so gemacht haben. Das hat mich echt total gefreut!

 

Und schon war unsere gemeinsame Zeit um und es hieß nochmal Abschied nehmen für die nächsten paar Monate. Aber da Johannes Familie bereits hier war, und Hannas am nächsten Tag kam, blieb es bei uns turbulent bis kurz nach Ostern. Ja, Ostern:

 

Das war dieses Jahr schon was Eigenes. Dieses Jahr vielen das katholisch/evangelische und das orthodoxe Ostern auf einen Tag. Deshalb waren es mehr, die diesen Tag gefeiert haben. Nachdem wir in der Arbeit Ostereier ausmalten, beschloss ich, dass auch ich ein paar Eier anmalen könnte. Und plötzlich war dann Karfreitag, und es ging in die Messe. Die war ziemlich ähnlich, wie ich es von meiner Pfarrei in Deutschland kenne. Samstag war ich alleine Zuhause, und so kam es, dass backen und putzen eine alleinige Arbeit wurde. Da habe ich festgestellt, dass Ostern für mich viel mehr „kirchengebunden“ ist, als Weihnachten. Manche Sachen, die für mich klar zu Ostern dazu gehören (Messe Donnerstag, Freitag, Sonntag mit den Leuten; den Angewohnheiten; Karfreitagsfasten;..) musste ich hier für mich ganz alleine beschließen, ohne dass das jemand auch so tat. Da habe ich gemerkt, dass auch dadurch, dass wir außer einem Osterfrühtstück und Kirchgang nichts Besonderes taten (das Wetter war auch schlecht), es nichts so speziell war wie das Weihnachtsfest. Das und ein Sterbefall in meiner Familie haben Ostern dieses Jahr ganz anders gemacht. Im Kopf wusste ich, dass Ostern ist, aber irgendwie war es ein sehr stilles und einsames Ostern. Eine Erfahrung.

 

 

 

Wo bereits angedeutet mag ich meine Arbeit zur Zeit sehr. Weiterhin wird natürlich viel geklebt, ausgeschnitten und gemalt. Dabei fallen immer mehr Sätze wie: „Also du malst das vor“, „Wie geht das?“ „Was machen wir heute, Franzi?“, „ Was ist wohl besser gehen?“, „Franzi ist ein bosnisches Mädchen.“; „Du musst nicht zurück, du kannst einfach bleiben und hier schlafen“, „Franziska wird kein Deutsch mehr können“,… Da merk ich einfach, wie lieb ich da alle habe und dass ich nur mit schwerem Herzen gehen werde. Manchmal holen wir aber auch Instrumente (Rasseln, Trommeln, Glocken,…) und jeder darf mal vorspielen und dann alle gemeinsam. Das macht uns im Atelier immer viel Spaß, aber alle anderen sind von dieser Geräuschkulisse nicht so angetan ;-)

 

 

 

Trotzdem habe ich lange etwas gesucht, was ich machen kann, wenn ich um drei fertig bin und nicht nur Zuhause rumsitze. Das läuft eigentlich schon seit einem halben Jahr, mal mehr mal weniger. Und das ist etwas, was mich echt nervt: Wenn ich etwas finde, was an sich schon schwer ist, antworten sie oft nicht oder können nichts mit einem Freiwilligen anfangen. Das macht mich unzufrieden. Jetzt kann ich diejenigen besser verstehen, die echt motiviert sind zu arbeiten, aber einfach keine Möglichkeit haben…

 

 

 

So meine Lieben, das wars mal wieder von meiner Seite! Alles Gute (vor allem an die Abiturienten)!

 

 

Liebste Grüße!

 

Franzi

 

 

 

 

 



"meine"Osteuropa JVs, Subotica: Innenstadt, die drittgrößte Synagoge, das Haus des Architekts vieler Gebäude, Innenansicht der Stadthalle

der erste Auftritt unserer Folklorgruppe

28.3.17: Zwischenseminar

 

Ljdui, ljudi, vrijeme treca! Leute, Leute die Zeit rennt! Das ist mir vor allem auf dem Zwischenseminar vor bald zwei Wochen bewusst geworden. Auch wenn es bei uns weniger die Halbzeit war, da Tuzla jetzt schon mehr als 7 Monate meine Heimat ist. Oder mein Wohnort, meine Heimat wohl noch keine 7 Monate ;-)

 

Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass irgendwann das oft angesprochene Zwischenseminar mit den anderen JesuitVolunteers und den  Eireni-Freiwilligen in Osteuropa da sein würde. Aber schon befanden wir uns am 11.3 um halb sechs Uhr morgens auf dem Weg zum Bus nach Belgrad. Von da aus ging es weiter in den Norden Serbiens, die Vojvodina. Das Haus war echt wundervoll und das Essen unbeschreiblich (ich hätte mir beinahe den Bus Heim sparen können und einfach Heim rollen ;-P). Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal so auf Menschen freuen würde, die ich seit etwa einem Jahr kenne und alles in allem vlt so 20 Tage gesehen habe. Aber es tat so gut die anderen JVs, die in Rumänien und im Kosovo sind wieder zu sehen. Zwar haben wir alle unterschiedliche Sachen zu erzählen, aber es gibt auch so viele Gemeinsamkeiten darin, wie es uns geht, wie es in der Arbeit läuft, mit der Sprache, den Einheimischen und was uns beschäftigt oder Probleme bereitet. Das tat so gut sich darin auszutauschen! Und natürlich waren auch die Einheiten ein guter Weg zu reflektieren was so in der vergangenen Zeit passiert ist, Probleme zu besprechen, Tipps zu geben und so neue Blickwinkel und Ideen zu bekommen. Im Vorfeld des Seminars sollten wir Einheimischen ein paar Fragen stellen. Das war ein guter Grund einfach mal Dinge zu erfahren, die ich sonst nicht einfach mal so fragen würde. Beispielsweise habe ich Kolleginnen, unsere Sprachlehrerin, eine Freundin und eine Mutter gefragt, was sie sich von einer Mitgliedschaft in der EU erhoffen würden. Doch neben dem Hoffen auf Regeln, waren alle der Meinung, dass das in absehbarer Zeit eh nicht passieren wird. Aber auch negative Aspekte einer Mitgliedschaft wurden genannt, wie Ausnutzung und Preissteigerung. Das fand ich sehr interessant, da ich dachte, dass die EU was „faires“ ist und ich dann festgestellt habe, dass da schon Wahrheit drin stecken könnte. Denn das Gefälle zwischen Ost- und Westeuropa ist schon jetzt vorhanden und ich bezweifle, dass das mit einer EU-Mitgliedschaft groß anders sein würde. So ist es schon jetzt so, dass Produkte, die aus Westeuropa importiert werden eine geringere Qualität haben. So enthält Nutella weniger Nuss, sondern mehr Zucker und Fett, ebenso Fruchtsäfte weniger Fruchtgehalt. Wie kann das sein und was für eine Wertschätzung und Ansehen von Westeuropa gegenüber den osteuropäischen Staaten wird dadurch vermittelt?

 

Erschüttert hat mich, dass auf die Frage, welche Veränderungen in den letzten fünf Jahren beobachtet wurden von allen kam, dass es sich nur verschlechtert hat: steigende Preise, weniger Arbeitsplätze, Korruption und vor allem die zunehmende Abwanderung vor allem der jungen Leute, und die Angst, dass es in den nächsten 20-30 Jahren zu einem weiteren Krieg kommen wird. Und ich merke, dass mich diese Themen beschäftigen: Wie lebt man mit der Angst vor einem weiteren Krieg im Nacken? Mir wurde erklärt, dass nur die Politiker einen Krieg wollen und versuchen die Bevölkerung anzustacheln. Aber wer will den einen Krieg und vor allem wieso? Welchen Benefit erhofft man sich, dass man das Sterben unzähliger Menschen und der Zerstörung des eigenen und eines anderen Landes in Kauf nimmt?

 

Auch merke ich, dass mich das traurig macht, dass das Land vielleicht wieder einen Krieg erleben muss, und dass es schon jetzt ausblutet, da die Anzahl der jungen Leute die gehen, in den letzten zwei Jahren  noch mehr angestiegen ist. Aber wer kann es ihnen verübeln und wie soll ich damit umgehen als Deutsche, der alle Möglichkeiten offen stehen, einfach nur, weil ich zufällig ein paar Tausend Kilometer westlich geboren wurde?

 

Aber wir haben uns auf dem Seminar nicht nur mit solchen oft schwer zu beantwortenden Themen beschäftigt. Neben gemeinsamen Tanz-/Singabenden haben wir an einem Tag die nahegelegene Subotica gefahren. Dort haben wir von einem Einheimischen ein paar Informationen und Sehenswürdigkeiten gezeigt. So steht dort die drittgrößte Synagoge der Welt, die aber gerade zu einer Veranstalltungshalle umgebaut wird. Ebenso wie viele weitere Restaurierungen in der Stadt wird auch dieser Umbau maßgenblich von Ungarn gefördert. Das liegt daran, dass wir uns eben in der Vojvodina befanden. Die Vojvodina ist eine Region in Serbien, in der ungarisch gesprochen wird und viele einen ungarischen Pass besitzen, auch wenn sie selber schon immer in Serbiens Staatsgebiet wohnen. Was der Grund für die vor allem finanzielle Unterstützung ist, konnten wir nur spekulieren, aber wahrscheinlich geht es hier um Einflussnahme. Aber das Gute daran ist, dass es dort daher viele sehr schön restaurierte Gebäude gibt, die im Stil des ungarischen „art nouveau“ gehalten sind.

 

Auf dem Seminar ist mir auch bewusst geworden, dass es in Osteuropa viele große Minderheiten in den Ländern gibt: Ungarn in Serbien, Ungarn in Rumänien, Deutschsprachige Rumänen, serbische Bosnier, kroatische Bosnier (oder doch bosnische Kroaten??), kosovarische Serben, Kosovo-Albaner,… Und was soll ich, die das mit den Ethnien nicht versteht sagen? Einfach alle so nennen, wie ihr Land in dem sie wohnen heißt (aber wenn sie sich nun mal nicht als solche sehen), oder soll ich auch Unterscheiden (aber damit den Unterschied auch aufzeigen)?

 

Ihr seht also, das Seminar hat viele Fragen aufgeworfen, auf die ich noch keine Antworten habe, und vielleicht auch nie welche finden werde.

 

So vergingen also die sieben seminartage wie im Flug und wir sind alle nach Belgrad gefahren, da von dort aus alle nach Hause fahren konnten. Doch zehn von uns 28 Freiwilligen haben beschlossen noch eine Nacht dort zu verbringen. Doch wir dachten uns, dass wir einfach Kirchen fragen, ob sie einen Raum zum Schlafen für uns hätten. So zogen wir also los auf der Suche nach Kirchen. Irgendwann hatten wir auch eine evangelische gefunden, doch die hatten gerade ein Seminar, weshalb sie keinen Platz für uns hatten. Doch da die Mehrheit in Serbien serbisch-orthodox ist, war die Anzahl der katholischen/evangelischen Kirchen beschränkt und es gab keine in gut erreichbarer Nähe. Also beschlossen wir, auch in orthodoxen Kirchen zu fragen. Zum Glück sind sich Serbisch und Bosnisch sehr ähnlich (nahezu identisch), so konnte ich also den Pope dort fragen. Nach einigem hin und Her wurde aber klar, dass er gar nicht verstand, weshalb wir das wollten und uns zu einem Touristenzentrum schickte, das aber, wie sich herausstellte geschlossen war. Zur gleichen Zeit stellten wir fest, dass Johannes, der noch was zu erledigen hatte nicht erreichbar war und er auch nicht wusste, wo wir waren. Also ging ein Suchtrupp los, während wir restlichen Sieben in der Dämmerung weiterstapften. Als wir dann ein Jugendzentrum fanden (auch sie hatten keinen Platz für uns. Das klingt irgendwie verdächtig nach der Weihnachtsgeschichte :-D), bildete sich dort unser „Basecamp“: zwei hielten Stellung und nahmen Anrufe und gaben Ortsbeschreibungen weiter, zwei suchten Hostels und gingen sie suchen und ich mit zwei anderen wollten es bei einer sehr großen orthodoxen Kirche dort nochmals versuchen. Dort trafen wir auf einen Pope mit unglaublicher Ausstrahlung, der auch wirklich versuchte einen Platz für uns zu finden, aber der eben keine Möglichkeit hatte und außerdem erklärte, dass das mit der Polizei Probleme geben könnte. So kamen irgendwann alle zurück (sogar Johannes wurde wiedergefunden) und wir verbrachten dann die Nacht zu zehnt in einem 8er Zimmer eines Hostels. Das war auf jeden Fall eine coole Erfahrung und hat mir Spaß gemacht! Aber fürs nächste Mal weiß ich, dass es mit 10 Leuten doch etwas schwer ist, vor allem in einer Stadt, durch die die Balkanflüchtlingsroute geht.

 

Mit unserem Trennen am nächsten Morgen begann die erste Woche meines Lebens, in der ich ganz alleine lebte. Die tat mir sehr gut und ich habe sie sehr genossen, auch wenn es auch wieder schön war, als meine Mitbewohner von ihrer Woche im Kosovo zurückkamen.

 

 

 

Ansonsten läuft es im „Koraci Nade“ sehr gut. Ich spreche mehr, verstehe dadurch meine Kollegen und Künstler immer besser, weshalb ich auch mehr mache und selber Ideen einbringe.

 

Ein besonderes Highlight ist unsere neue „Folklorgruppe“, die am Freitag ihren ersten Auftritt hatte. Meine Kollegin, die selber „Folklor“ (Volkstanz) macht, hat das begonnen, als der Bürgermeister Anfang des Jahres zu Besuch kam. Doch wird jetzt weiter trainiert, Kostüme beschaffen und eben auch erste Auftritte stehen an. Vor allem, da unsere Tänzer im Sommer in die Türkei fahren  und dort einen Auftritt haben.

 

Wie groß war die Freude, als unsere Tänzer nach ihrem Tanz gebeten wurden, ihn nochmal auf zu führen. Da waren sie, aber auch ich, unglaublich stolz auf sie. Viel mehr gibt es nicht zu berichten, wir basteln und malen rund ums Thema „Frühling“ und hatten eine größere Aktion zum Weltfrauentag, der hier echt sehr groß gefeiert wird.

 

 

 

So ihr Lieben! Das wars von meiner Seite! Ich hoffe euer Frühling ist genauso schön, wie unserer: Fast immer Sonne und Temperaturen, die gerne bis zur 25 Grad-Marke wandern…

 

 

 

Liebste Grüße!

 

Franzi

 

 

 



Leider gibt es Probleme. Ich kann irgendwie nicht mehr Bilder hochladen... Deswegen gibt es diesesmal nur ein Bild von meinem Geburtstagstisch, morgens um halb sechs...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

22.02.17: Halbzeit

 

Mein sechster Monat neigt ich dem Ende zu. Das heißt Halbzeit. Und ich kann stehe dem mit gemischten Gefühlen gegenüber: einerseits freue ich mich auf Zuhause, alles verstehen können, Freunde und Familie zu haben, nicht überlegen zu müssen ob etwas geht, nicht mehr die Freiwillige sein. Aber trotzdem will ich auch nicht, dass dieses besondere Jahr dann einfach zu Ende geht, ich zurück nach Deutschland muss, wo sich sicher auch einiges geändert hat, ich das Lebensgefühl, meine Künstler und die Leute die man hier kennen gelernt zurücklassen muss, das Wissen, dass einfach ein anderer freiwilliger an meiner Stelle kommt und dann noch die Frage, wie ich mein Jahr in Bosnien nach Deutschland mitnehmen und „nutzen“ werde…

 

Aber ich hab ja noch einige Zeit hier!

 

Nachdem der Schnee (beinahe 50 cm) geschmolzen ist und die Sonne sich wieder zeigt, kehrt auch das Leben in die Stadt inklusive mir zurück. Da die Sonne oft scheint und es dann auch (relativ) warm ist, sitzen in den Cafes wieder Leute und auch ich kann wieder auf dem Balkon sitzen (was ich gerade tue). Was mit dem guten Wetter einher geht ist die Verbesserung der Luft. Während es richtig kalt war konnte man nicht weit sehen, wollte nicht raus und das wurde auch von Behörden empfohlen.  Grund dafür ist die Holzkohle, mit der hier die meisten heizen und auch Tuzlas Kraftwerk betrieben wird. Bei der Verbrennung entsteht Schwefeldioxid, welches im Tal einfachhängen bleibt. Zwischendrin war es sogar so schlimm, dass viele Schulen hier geschlossen wurden. Das war auf jeden Fall eine Erfahrung, dass ich einfach nicht raus wollte und sollte und das Leben hier im Winter echt einfach zurückgezogen ist. Aber ich bin froh, dass es jetzt besser wird und die Sonne immer wieder vorbeischaut. Da kommt mir alles gleich viel schöner vor und ich warte auf das erste grün an den Bäumen auf den Hügeln um Tuzla.

 

Seit mir vor etwa einem Monat gesagt wurde, dass es für die Bosnier etwas komisch ist, wenn man nicht viel spricht, achte ich drauf einfach mehr zu sprechen auch wenn mir die richtigen Worte fehlen und meine Grammatik alles andere als gut ist. Doch langsam komm ich rein und trau mich einfach zu reden. Dadurch verstehe ich mich besser mit „meinen Künstlern“ und Kollegen. Das bereitet mir sehr viel Freude, ebenso das Rad fahren. Vor gut einer Woche bin ich also zur nächsten Autowerkstadt gegangen und obwohl ich erklärte, dass ich „Teufel“  für mein Fahrrad brauche (da habe ich mir wohl das Wort „Luft“ falsch gemerkt  ;-D), düse ich jetzt mit meinem Fahrrad durch Tuzla.

 

Im Februar war es auch Zeit für meinen Geburtstag. Der war wirklich außergewöhnlich. Eigentlich dachte ich, dass wir den Tag ganz entspannt in der WG feiern würden. Aber dann wurde klar, dass  an dem Tag ein HipHop-Battle in Belgrad sein würde, zu dem wir fahren würden. Da wir schon um 6.30 in der Stadt los fahren würden, war ich drauf eingestellt, dass es kein Geburtstagsfrühstück geben würde. Doch als ich um halb sechs in die Küche kam, erwartete mich eine reichgeschmückte Küche. Zwischen Lichterketten, Girlanden, Geschenke, Muffins, Kerzen, Wunderkerzen und eine Torte erwarteten mich meine Mitbewohner. Was für eine riesige Überraschung! Als wir um 10 vor halb dann am Treffpunkt ankamen wartete dort erst einer. Ein kultureller Unterschied, mit dem ich, die auch gerne mal etwas knapp kommt sehr gut klar komme… ;-) Um kurz nach halb waren dann alle da und es ging los. Nach drei Stunden Fahrt kamen wir dann an der Halle an. Und eigentlich war es genauso, wie man sich sowas vorstellt: Tanzboden, DJ, laute Musik, viele Leute, Tätowierer und ausgelassene Stimmung. Ich habe die Zeit da sehr genossen. Doch trotzdem habe ich es auch ein bisschen vermisst mit der Familie und Freunden zu feiern. Da wir erst um halb drei Uhr Nacht wieder in Tuzla waren, wurde das Feiern in der WG auf den nächsten Tag verschoben. Also hatte ich eigentlich eineinhalb Tage Geburtstag ;-) Vielen Dank nochmal für alle, die an mich gedacht haben, ob in Form eines Briefes, einer Nachricht oder in welcher Art auch immer!

 

Viel mehr gibt es auch gar nicht mehr zu berichten. In der Arbeit fangen wir jetzt mit Thema „Frühling“ an, die Schule läuft auch ganz gut, wenn es manchmal auch sehr anstrengend ist. Ansonsten habe ich mit Bauchtanz aufgehört und überlege mir, was ich mit der freigewordenen Zeit machen werde.

 

Ich hoffe es geht euch allen gut, und der Frühling kommt bei euch auch bald. Genießt die ersten Sonnenstrahlen!

 

Liebste Grüße,

 

Franzi

 

 

 



Zagreb

Wir waren natürlich schon Tüten-Rodeln

unser Maskenball

14.01.2017: Advent und Neujahr

 

Das erste Mal in meinem Leben feierte ich Advent und vor allem Weihnachten als Minderheit und ohne meine Familie und Freunde. Die Adventsonntage kamen, wir warteten auf den Schnee, der uns schon für Ende November/Anfang Dezember versprochen wurde, aber irgendwie war es anders, als all die Jahre davor. Während sich in Deutschland dann ziemlich viel um Weihnachten dreht, gab es hier vielleicht zwei Regale mit Weihnachtssachen, und Weihnachtsstimmung ist bei mir nicht aufgekommen. Kurzfristig beschlossen wir, dass wir für ein Wochenende nach Zagreb fahren würden, da Kroatien ja vor allem katholisch ist und der Weihnachtsmarkt dort als der schönste in Europa ausgezeichnet wurde. Und diese Reise hat sich definitiv gelohnt. Zagreb ist an sich schon eine schöne Stadt. Doch in dieser Zeit war die ganze Innenstadt zusätzlich mit vielen Lichtern dekoriert (Lichterketten um Bäume, über Straßen, in Schaufenstern). Obwohl ich normalerweise so kitschige und überladene Weihnachtsdeko nicht mag fand ich es schön diese Atmosphäre einzufangen, die irgendwie auch zur Adventszeit dazu gehört. Und der Weihnachtsmarkt ist meiner Meinung nach auf jeden Fall ein Besuch wert (vielleicht ist meine Sicht da aber auch etwas von der Freude beeinflusst, einfach Adventszeit zu erleben… ;-P)! An jedem Platz kann man einen Weihnachtsmarkt finden. Und viele sind unterschiedlich: manche vor allem für Kinder, andere eher für die Jugend, ganz klassisch, vor allem mit Essen, mit vielen selbst gemachten Sachen,… So sind wir die ganzen Tage über die Märkte durch die Stadt geschlendert, haben die Aussicht über die Stadt genossen und einfach das erste mal seit wir wieder zu dritt sind einfach die gemeinsame Zeit genossen. Zufälliger Weise haben wir eine Jesuitenkirche gefunden und wollten natürlich „Hallo“ sagen, aber leder war abgesperrt. Und schon war es wieder Zeit Heim zu fahren und wir erreichten nach siebenstündiger Fahrt unser Tuzla, was vergleichsweise ganz schnuckelig ist. Obwohl ich ja in München aufgewachsen bin, habe ich mich so an Tuzlas Größe gewöhnt, dass ich von so großen Städten und vielen Leuten immer total beeindruckt und auch ein bisschen gestresst bin :-D

 

Und dann stellte ich auch fest, dass schon am nächsten Samstag Weihnachte  wäre, wir aber noch keine Plätzchen hatten, weshalb ich dann fast täglich Plätzchen buk. Das wurde allerdings etwas erschwert, weil unser Handmixer nicht ganz so gut arbeitet, weshalb Sachen wie Eischnee sehr viel Geduld und hoffen fordert, außerdem gibt es hier manche Sachen nicht(oder wir haben sie nicht gefunden, aber wie übersetzt man „Pottasche“ oder so??) zusätzlich haben wir keinen Mixer, weshalb alle Nüsse mit dem Messer gehakt wurden. Doch die Arbeit hat sich gelohnt, am Schluss hatten wir viele Plätzchen, die auch bei den Bosniern mit großer Freude angenommen wurden. Und schon wars der 24. Während wir in unserer Wohnung fleißig eine Krippe bastelten, Deko machten und aufhingen und den Plastikweihnachtsbaum aufstellten war es dann schon komisch in der Stadt unterwegs zu sein und zu wissen, dass für die meisten dieser Tag ein ganz gewöhnlicher war. Ein bisschen Sorgen hatte ich schon, wie Weihnachten den werden würde, da es für mich auch durch die Zeit mir der Familie geprägt ist und wir auch alle „unsere“ Weihnachtstraditionen haben. Doch der Abend wurde echt schön! Weihnachtsessen, singen, die Weihnachtsgeschichte lesen, Bescherung und dann in die Messe. Als wir dort ankamen standen Polizisten rum, das Fernseh war da und vor der Kirche stand eine Leinwand, auf der die Messe wiedergegeben wurde. Deshalb war ich sehr gespannt, wie die Messe sein würde. Aber da wurde ich etwas enttäuscht, eigentlich verlief sie so wie eine „gewöhnliche“ Messe und ich erkannte nur ein Lied wieder.  Doch trotz allem waren die Weihnachtstage echt schön und es war irgendwie auch besonders von dem alltäglichen Leben in unserer Wohnung zu kommen und in dieser besonderen Weihnachtsatmosphäre zu sein. Schon bald darauf bekamen wir Besuch von unserem Vorgänger, der eineinhalb Wochen mit uns verbrachte. Das tat echt gut mal wieder jemanden zu haben, der sich auskennt, der weiß wie es einem hier so geht und der aber nicht unbedingt ein Mitbewohner ist… So feierten wir Silvester zu viert in unserer Wohnung, wurden aber bald vom Sohn unserer Vermieterin zu sich und seinen Freunden eingeladen. Auch im „Koraci Nade“ schlossen wir das Jahr gebührend ab: Wir bekamen Besuch von verschiedenen „Organisationen“ und Personen darunter auch Tuzlas Bürgermeister und wir machten einen Maskenball. Wer nicht verkleidet kam, bekam etwas Vorort und wurde von mir oder meiner Kollegin geschminkt. Jeder durfte dann auf einem „Laufsteg“ seine Kostümierung vorführen. Und dann wurde natürlich getanzt, mitunter auch zu bosnischer Musik, was ich ein bisschen gelernt habe von unserer Nachbarin. Das fanden meine Kollegen natürlich lustig, aber sie haben sich genau wie ich darüber gefreut. Und schon begann das neue Jahr, das uns schon wenige Tage später den von mir heiß ersehnten Schnee brachte. Aber nicht nur den Schnee, sondern auch die Kälte: Letztes Wochenende hat das Thermometer morgens -30 Grad angezeigt und es wurde auch einige Tage nicht wärmer als -15°C, weshalb ich es als „warm“ empfand, als wir uns wieder auf die 0°C zu bewegten. Doch die Sorge, dass der Schnee dann schmilzt wurde letzte Nacht zu Nichte gemacht, als nochmal 10 cm Neuschnee fiel. Jetzt haben wir so schätzungsweise 30 cm Schnee und ich freue mich so darüber! Da hier kaum geräumt wird, habe ich noch mehr vom Schnee. Einerseits finde ich das wunderschön (wie das alles glitzert und schön es ist durch den Schnee zu stapfen), andererseits ist das auch ein Problem, da auch auf den großen Straßen Schnee liegt, weshalb die Autos obwohl sie langsam fahren rutschen, während ich es jedes Mal lustig finde, wenn ich mich im Schnee sitzend wieder zu finden ist das für ältere Personen oder meine Künstler nicht so toll.

 

Doch obwohl ich mich über den Schnee so gefreut habe, fand ich es am Anfang des Jahres auch schwer. Ich vermisse es alles problemlos verstehen zu können, Freunde zu haben, meine Familie. Besonders, als die „MEHR“-Konferenz stattfand, auf der ich die letzten Jahre war und auch dieses Jahr gerne dabei gewesen wäre. Aber das gehört wohl zu diesem Jahr dazu und macht es auch so besonders.

 

Viel mehr gibt es von mir gar nicht zu berichten. Aufgrund des Schnees und der Schulferien, haben wir gerade nicht so viele „Künstler“, so malen wir also in kleinem Kreis Mandalas oder Wachsmalbilder.

 

 

Ich hoffe ihr hattet ebenfalls wunderschöne Weihnachtstage und Silvester und wünsche euch allen (etwas verspätet) ein außergewöhnliches  Jahr.

 

 

Alles Liebe,

 

Franzi

 



Tagesausflug in die nahegelegene Stadt Srebrenik und unsere kleine Wanderung zur Burg

großer Ausflug durch die Hügel um Simin Han

unser selbstgemachter Adventskranz. Die Zweige dafür pflückten wir einfach am Straßenrand. Was wir da wohl für ein Bild boten...?

13.12.16: Die andere Seite der Medaille

 

 

Kaum zu glauben, dass ich vor ziemlich genau einem Jahr auf dem Orientierungsseminar von JV war. Dort traf ich das erste Mal  Hanna und Johannes und überlegte, ob ich bereit wäre auch nach Osteuropa zu gehen, was ich eigentlich nicht wollte.

 

Ich finde es auch sehr interessant mich daran zu erinnern, wie ich es mir vorstellte, wie es werden würde mein Freiwilligendienst. Einiges ist doch anders und darüber möchte ich berichten, da ich das Gefühl habe, dass das oft nicht so erzählt wird und mir war das nicht so klar. Zwar hatten wir einige dieser Themen auch in unseren Vorbereitungsseminaren besprochen, und darüber bin ich sehr froh, aber es gibt halt dann doch einen Unterschied zwischen dem Hören und Selbsterleben…

 

Ich beginne einfach mal mit der Vorstellung eines „normalen“ Tages. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich nach der Arbeit Heim komme, und dann auch gleich wieder in die Stadt gehe, mich mit Freunden treffe, die Gegend erkunde, durch die Stadt schlendern, was aufregendes erlebe… Das ist aber eher die Ausnahme, als die Regel. Natürlich kommt das alles vor und wir machen Spaziergänge, gehen einen Kaffee trinken oder „erleben etwas aufregendes“ (vor zwei Wochen sind wir z.B. spontan in eine nahgelegene Stadt gegangen, und sind ohne Karte, Wegbeschreibung oder irgendeine Vorbereitung zu einer Burg gelaufen, von der wir gelesen hatten, dass die in der Nähe ist. So liefen wir also 2 Stunden durch die Hügel über kleine Wege, ohne zu wissen, ob wir ankommen würden. Aber am Ende waren wir wirklich auf der Burg und das war echt unglaublich!). Aber oft bin ich, wenn ich so gegen halb vier von der Arbeit nach Hause komme auch erstmal erledigt und genieß es einfach auf dem Sessel an der Heizung zu sitzen, auf dem Sofa zu liegen oder mit meinen Mitbewohnern zu quatschen. Die Gegend haben wir weitgehend erkundet, und weiterentfernte Ziele nehmen dann doch mehr Zeit in Anspruch. Letztens sind wir dann noch ein bisschen weiter gelaufen, auf kleinen Pfaden durch die bewaldeten Hügel. Doch da wir nicht so genau wussten, wohin der Weg führte, waren wir dann 2-3 Stunden unterwegs, das war aber auch nur so gut möglich, da Johannes an dem Tag nicht arbeiten musste und ich früher Heim gehen durfte. Dadurch hatten wir dann genug Zeit, bevor es richtig dunkel wurde wieder daheim zu sein.

Mit den Freunden ist das auch so eine Sache. Die Sprache ist schon eine Barriere. Richtig „tiefe“ Gespräche sind auf Bosnisch einfach zu schwer für mich, und Englisch ist halt für keinen die Sprache, in der er normalerweise spricht. Zwar hab ich hier auch Freunde „geerbt“, aber das finde ich nochmal etwas anderes, da ich nicht das Gefühl habe, dass es da um mich als Person geht, sondern eher, weil ich halt „die Nächste“ bin.

Das führt mich auch gleich zu einem weiteren Punkt: meine Vorgänger. Ich persönlich finde es manchmal echt schwer damit umzugehen. Hier mal wieder mit dem Namen der Vorgängerin angesprochen, gesagt bekommen, dass die das so und so gemacht hat, erzählt bekommen, was die Vorgänger so gemacht haben. Irgendwie kann ich es schon verstehen. Für mich ist es eben ein Jahr, das besonders ist, das ich so noch nie erlebt habe und das viel Neues mit sich bringt. Für meine Kollegen ist es aber ein weiteres Jahr in ihrem Leben, dass „ganz normal“ verläuft und jedes Jahr kommt eben jemand anderes, der wieder die gleichen Phasen durch macht, sie äußern sich halt unterschiedlich, aber trotzdem ist es für sei ja so etwas wie Routine. Ich bin einfach der Freiwillige, der dieses Jahr kommt und meine Vorgänger haben sich hier ein Leben aufgebaut und das freut mich auch, aber trotzdem setzt es mich manchmal unter Druck. Also eigentlich setze ich mich damit unter Druck, da ich mich frage, was die so gemacht haben und was sie eben gelassen haben und wo sie sich wie eingebracht haben. Das habe ich einfach so nicht auf dem Schirm gehabt. Hier will ich aber auch deutlich anführen, dass das halt das ist, was  ich anders wahrnehme, als andere! Also auch das kann von Person zu Person unterschiedlich wichtig sein.

 

 

Das klingt jetzt alles negativ. Das ist gerade allerdings bei mir nicht der Fall! Im Moment fühle ich mich hier sehr wohl und genieße es hier zu sein. Es war mir nur wichtig auch mal zu sagen, dass es eben nicht alles perfekt ist und es mir auch mal einfach nicht so gut geht.

 

 

Ansonsten fährt morgen unsere Mitbewohnerin zurück nach Deutschland. Unglaublich, wie schnell diese drei Monate rum gegangen sind! Ich bin gespannt, wie es wird, wenn wir drei dann wieder in unserer Ursprungskonstellation sind.

 

 

Außerdem habe ich mir eine andere Arbeit für den Dienstag gesucht, da an diesem Tag im Koraci Nade nicht viele „Künstler“ sind und ich dann einfach nichts zu tun hatte. Deshalb habe ich mich schon vor einiger Zeit, ich schätze so vor eineinhalb Monaten, auf die Suche gemacht. Leider haben mir einige nicht zurück geschrieben, oder konnten mir dienstags keine Arbeit anbieten. Über meine Gemeinde bin ich dann zum katholischen Schulzentrum „Sveti Franjo“ gekommen. Da habe ich einfach mal gefragt und hatte dort heute meinen ersten Arbeitstag. Ich begleite einen Schüler, der auch ins Koraci Nade geht, in seine Klasse. So sitze ich nach einem halben Jahr nach meinem Abi wieder hinter der Bank. Doch ist meine Funktion etwas anders (Ich darf ins Lehrerzimmer!! ;-P): Da dieser Junge geistig behindert ist braucht er einfach mehr Zeit für den Stoff und tut sich allgemein etwas schwer. Seine Lehrer geben sich viel Mühe mit ihm und überlegen sich passenden Stoff, aber währenddessen müssen sie 24 anderen Schülern den Lehrplan vermitteln. Deshalb mache ich mit ihm seine Aufgaben, unterstütze ihn oder lass ihn mir einfach erklären, was er weiß. Aber wie genau sich das gestalten wird kann ich jetzt natürlich nur schwer sagen, da es einfach mein erster Tag war und ich etwas Zeit brauche, um mich daran zu gewöhnen (z.B mit ihm sprechen, während der Lehrer der restlichen Klasse etwas erklärt, oder auch einfach der Punkt, dass mein Bosnisch für manche Sachen einfach nicht ausreicht, so habe ich mich im Biounterricht dann doch etwas schwer getan…).

 

 

Das mag jetzt vielleicht so erscheinen, als ob ich mich im Koraci Nade nicht wohl fühlen würde, aber das ist nicht der Fall! Ich wollte einfach die Gelegenheit nutzen, auch mal etwas anderes zu sehen und dienstags etwas zu tun zu haben. Die restlichen Wochentage bin ich super gerne im Koraci Nade. Meine Künstler wachsen mir immer mehr ans Herz, ich versteh sie immer mehr und wir machen seit einer Woche keine Weihnachtskarten mehr, sondern basteln jetzt Weihnachtsdeko (hier: Neu-Jahrs-Deko) für unser Neu-Jahrs-Fest. Das freut mich schon, weil die Karten nach zwei Monaten halt dann doch etwas eintönig geworden sind… Zurzeit toben wir uns also mit Tannenbäumen in allen Größen, lebensgroßen Schneemännern, Girlanden, buntes Salz, und, und, und aus.

 

Beim Thema Geschenke machen möchte ich mich auch bedanken, bei denen die meinem Projekt gespendet haben. Das Geld wird zu 100% Prozent in meine Arbeitsstelle fließen. Das freut mich einfach sehr, weil ich sehe, was das Koraci Nade alles leistet und den Kindern, Eltern und allgemein den Familien gibt. Vor allem, das es Menschen mit erhöhtem Förderungsbedarf und ihre Familien es hier in BiH nicht sehr leicht haben. Vielen Dank also dafür!

 

 

Das erste Mal in meinem Leben gehöre ich mit meiner Religion und Konfession zu Minderheit und ich muss immer wieder erklären, wann denn eigentlich „mein Weihnachten“ ist oder wie ich den Weihnachten feier. Irgendwie ist das ungewohnt, aber auch schön, da es irgendwie so den „Weihnachtsdruck“ nimmt und eine andere Dynamik besitzt.

 

 

Ich wünsche euch ebenfalls noch eine besinnliche Weihnachtszeit und ein gesegnetes Fest!

 

 

Liebe Grüße!

 

 

 

 



auf dem "Kidsfestival"

ein paar unserer Weihnachtskarten

aus dem bosnischen Museum: Wohnzimmer, Kleider und Gürtel/Schnallen

 

 

 

 

 

 

Im Mellain: Beim einkaufen, im Spa-Bereich, Im Cafe im 20.Stock mit Aussicht über Tuzla

13.11.16: Der Alltag kommt

 

 

Nun ist schon mein vierter Monat hier angebrochen, und ich kann das gar nicht glauben. Einerseits geht die Zeit hier sehr schnell rum, andererseits habe ich auch das Gefühl, dass ich hier schon ewig bin...

 

 

Langsam weicht  der Herbst dem Winter. Letztes Wochenende hatten wir nochmal über 20 Grad, was eine Wohltat war, da es jetzt meistens sehr kalt ist und auch gelegentlich Schnee fällt.

 

 

Im Koraci Nade fühle ich mich immer wohler. Noch immer gibt es Probleme mit meinem Namen. „Franziska“ hat hier verschiedenste Abweichungen: Franzka, Fran, Franceska, Francuska (das heißt übersetzt „Frankreich“), Thea (Name meiner Vorgängerin) oder Cita. Besonders freut es mich, dass meine Künstler (die, die zu uns ins Kreativatelier kommen) meinen Namen kennen und mich auch ansprechen, wenn sie etwas brauchen oder einfach mit mir reden wollen. Obwohl ich mehr und mehr Bosnisch verstehe, habe ich Schwierigkeiten damit meine Künstler zu verstehen, da einige von ihnen Probleme mit der Aussprache haben. Besonders in der Arbeit bemerke ich meine Fortschritte mit der bosnischen Sprache. Immer mehr kann ich selber auf Bosnisch sagen und vor allem verstehen.

 

Allgemein bastel ich im Koraci Nade noch immer Weihnachtskarten. Das wird zwar etwas eintönig, doch dadurch, dass ich mich eben unterhalten kann macht es auch Spaß, da ich endlich kommunizieren kann, auch wenn es "nur" darum geht, in welcher Farbe die Hose vom Weihnachtsmann angemalt werden soll. Wenn wir nicht gerade Weihnachtskarten, die „Neujahres-Karten“ genannt werden, basteln, gibt es den einen oder anderen Ausflug, den wir machen:

 

Tuzla hat seit neuestem einen eigenen Zoo. Den haben wir besucht, was sehr gut ankam. Vor zwei Wochen waren wir am Nachmitttag im bosnischen Museum. Das ist zwar nur ein Raum, aber ich fand es trotzdem interessant alte bosnische Kleider und Haushaltuttensilien zu sehen. Danach wurden alle aufs beste Cevapi der Stadt eingeladen. Letzten Dienstag erst war es wieder soweit: Wir waren im Mellain Hotel. Das ist ein riesiges und sehr edles Hotel im Stadtzentrum. Doch bevor wir ins Hotel gegangen sind, hat jeder Künstler zehn Mark bekommen, damit sie sich in einem Drogeriemarkt Hygieneartikel kaufen. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen sollten die Kinder lernen mit Geld um zugehen, außerdem hatten wir erst kurz davor über Hygiene gesprochen (Hände waschen, Zahnseide verwenden, Zähne putzen,…) und sie konnten sich nun eigene Utensilien kaufen. Des Weiteren glaub ich, dass wir nächsten Dienstag so eine Art „Beautysalon“ haben, in dem wir das gekaufte anschauen und verwenden. Dabei bin ich mir aber nicht so sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Nach dem Einkaufen sind wir dann ins Hotel gegangen. Und das ist echt unglaublich! Es hat 20 Stockwerke und ist mega edel. Ein paar meiner Künstler waren noch nie in ihrem Leben im Hotel, umso toller war es, dass wir dort eine Führung durch den Spa-Bereich bekommen haben. Ich selber hab gar nicht gewusst, was es da alles gibt. Da wussten meine Künstler durch die Physiotherapeuten, die bei uns im Centar arbeiten besser Bescheid als ich.  Es war auf jeden Fall eine Erfahrung so ein Hotel mal von innen zu sehen, obwohl ich mich frage, für wen dieser riesen Hotelkomplex gebaut wurde. Auch als wir im Hotel waren wimmelte es dort nicht gerade von Gästen. Hat sich dieser Bau überhaupt gelohnt und wäre es nicht sinnvoller gewesen in etwas anderes zu stecken? Aber wieso sollte eine Stadt nicht auch so etwas haben, da das auch Interessenten bringt?

 

Mein Leben in der Arbeit hat sich jetzt eingependelt und wird durch solche Ausflüge abwechslungsreich. Auch in meiner Freizeit hat sich etwas getan: Hanna und ich haben jetzt zweimal die Woche „orientalski plesa“ (= Bauchtanz) und zweimal die Woche HipHop. Dadurch haben wir viermal die Woche tanzen und einmal die Woche noch unseren Sprachkurs. Meine Woche ist jett angefüllt. Auch dadurch, dass wir in letzter Zeit auch zweimal Besuch hatten. Letztes Wochenende kamen zwei deutsche Freiwillige aus Sarajevo. Auch dieses Wochenende haben wir eine deutsche Freiwillige aus Bjeljina (das ist eine Stadt etwa eine Stunde von Tuzla entfernt) zu Besuch. Das war echt schön mal wieder jemand kennen zu lernen und zu treffen, der Deutsch spricht, versteht, denkt, halt einfach so geprägt ist, wie wir.

 

 

 

So, das war es für dieses Mal. Ich hoffe, dass alles verständlich war! Inzwischen habe ich mich einfach schon am vieles gewöhnt und vergesse das dann zu erklären, oder ich kann es gar nicht in Worte fassen...

 

 

Ich hoffe es geht euch allen gut!

 

Liebe Grüße!

 

Franzi

 

 

 

 

 



https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deration_Bosnien_und_Herzegowina

 

 

 

 

 

 

 

 

Wahlkampf: Viele Plakate und Autos, die mit Lautsprechern durch die Straßenfahren

 

07.10.16: Von der Hauptstadt und der Politik (also das, was ich davon verstehe ;-) )

 

 

 

Und schon sind die nächsten Wochen rum. Ich könnte darüber schreiben, wie toll es ist mit meinem Fahrrad durch die immer herbstlicher werdenden Landschaft in die Arbeit zu fahren. In der Arbeit sind wir den Jahreszeiten voraus und basteln schon Weihnachtskarten…

 

 

Doch damit ich hier weiter  solche Dinge erleben kann, mussten wir alle drei in die deutsche Botschaft in Sarajevo. Damit wir hier unsere Visa bekommen brauchen wir nämlich ein polizeiliches Führungszeugnis, das bei mir leider schon abgelaufen war und ich nur dort ein Neues beantragen konnte. Am gleichen Wochenende hatte eine Freundin unserer zwei „neuen“ Mitbewohnerinnen (die jetzt auch schon seit drei Wochen mit uns wohnen) Geburtstag. Wie der Zufall will, wohnt diese in Sarajevo, da sie dort für drei Monate als Freiwillige arbeitet. Deshalb beschlossen wir übers Wochenende nach Sarajevo zu fahren.

 

Nach einigen Problemen hatten wir es dann auch geschafft Bustickets zu kaufen („Es gibt den Bus nicht, den ihr fahren wollt!“ „Aber unsere Freunde haben gestern ein Ticket für den Bus gekauft!“         „ts%ch un i§$h mie siub vr#kl jihiubae!“ „Können Sie bitte langsamer Bosnisch sprechen? Ich spreche nicht viel Bosnisch!“ usw…). Schließlich saßen wir dann morgens um 7 Uhr im Bus Richtung Sarajevo. Wie ich sicher schon Mal erwähnt habe, liebe ich die Natur hier! Jetzt im Herbst haben wir morgens immer Nebel, der auch an diesem Morgen über den Wiesen und in den Tälern zwischen den bewaldeten Bergen schwebte. Da es ein schöner Tag war schien die Sonne und es war echt unglaublich schön! So kurvten wir also 130 km in 3 Stunden durch die schönen Berge. Und dann waren wir in Sarajevo. Als wir in die Stadt reinfuhren empfingen uns die olympische Ringe. Auch sonst wirkte die Stadt anders, als Tuzla. Der Grund dafür ist, dass die Häuser, die hier hoch sind vor allem Plattenbauden sind, während das in Sarajevo nicht der Fall ist.

 

Um unseren eigentlichen Grund der Reise zu erledigen, wollten wir direkt zu Botschaft. Aber leider war sie auf unserer Karte woanders eingezeichnet, als sie sich eigentlich befand. Schließlich haben wir sie doch gefunden, was allerdings nicht sehr leicht war, weil sie anders als beispielsweise die österreichische oder französische Botschaft kein eigenes Haus hat, sondern eine „Seitentür“ im Haus des europäischen Konsulats (oder so) ist. So betraten wir dann doch früher als erwartet wieder „deutschen“ Boden ;-)

 

Nach dem das erledigt war, konnten wir ganz entspannt unser Wochenende in Sarajevo genießen und die Stadt kennen lernen, über die es einige bosnische Lieder gibt (z.B.:https://www.youtube.com/watch?v=asm17vZaAOg). Wie bereits erwähnt unterscheidet sich die Architektur zwischen Sarajevo und Tuzla. Zwar besitzen beide Städte Plattenbauden und Häuser in denen noch immer Einschusslöcher zu sehen sind, aber während Tuzlas Innenstadt aber klein mit kleinen Häusern ist, so hat Sarajevo einige große, monumentale Bauten mit Stuckverzierungen usw hat. Außerdem ist die Hauptstadt Bosniens sehr viel touristischer, als Tuzla. So gibt es in Sarajevo einen Markt, mit ganz vielen kleinen Buden, in denen es Souvenirs (Socken, Armbänder, Bilder, Kaffeesets, ...) zu kaufen gibt. Außerdem gab es auch Essen, das nicht Cevapi, Burek, Pita oder Pizza war, was ich von Tuzla nicht kenne.  Allgemein war Sarajevo für mich eine noch offensichtlichere Mischung aus dem, was ich für „Arabisch“ halte und dem, was ich mir unter “europäisch“ vorgestellt habe. Obwohl es, wie ich immer mehr feststelle, nicht „DAS Europäische“ oder „DAS Arabische“ gibt.

 

Was für mich aber besonders beeindruckend war, waren die Gotteshäuser, die wir uns angeschaut haben. Ganz in der Nähe unserer Unterkunft gab es eine große orthodoxe Kirche. Da ich noch nie in meinem Leben davor in einer orthodoxen Kirche war, wollte ich sie mir natürlich anschauen. Und diese Kirche war einfach wunderschön! Eigentlich bin ich kein Fan von Ikonen, aber dort war das alles stimmig. Eine Seite der Kirche bestand komplett aus ebensolchen vergoldeten Heiligenbildern und dem Kreuzweg, während die anderen Wände mit wunderschönen Mustern bemalt waren. Während die Decke blau mit kleinen goldenen Sternen war, waren die Seiten blau/weiß/beige gehaltene geometrische Muster, die mich an Arabien denken ließ. Es wurde dann noch arabischer, weil wir das erste Mal in meinem Leben eine Moschee besuchten. Da war dann die Überraschung dann nicht so groß, weil man dann doch irgendwie gelernt hat, wie es in einer Moschee aussieht (Ausrichtung nach Mekka, Teppiche, Badehaus für die Frauen und Brunnen für die Männer). Aber trotzdem fand ich es schön, einmal in einer Moschee gewesen zu sein. Zum Abschluss sind wir dann noch in die katholische Kathedrale von Sarajevo gegangen. Und zu meiner Freunde fanden sich auch hier ähnliche Malereien, wie auch schon in der orthodoxen Kirche. Wenn man sieht, was für Ähnlichkeiten und doch auch für eine Vielfalt in dem Zusammenleben dieser drei Glaubensrichtungen gibt, finde ich es noch viel schader, dass das hier eher zur Spaltung beiträgt.

 

Anonsten kann ich unseren Aufenthalt dort nur schwer in Worte fassen und verständlich beschreiben. Man muss wohl selber mal dort gewesen sein. Aber da Bilder ja bekanntlich mehr sagen, als tausend Wörter…

 

 

Die Aufmerksamen unter euch haben vielleicht mitbekommen, dass Bosnien vor wenigen Wochen auch in den deutschen Medien erwähnt wurde. Allgemein muss man wissen, dass Bosnien-Herzegowina in zwei Teile unterteilt ist: Die Föderation Bosnien-Herzegowina (51% der Landesfläche) und der Republika Srpska (49%). Diese Unterteilung entstand (rechtstragend) 1995 durch den Dayton-Friedensvertrag nach dem Bosnienkrieg. In der Republika Srpska leben vor allem serbische Bosnier, währen kroatische Bosnier und Bosniaken(muslimische Bosnier) vor allem in der Föderation leben. Weshalb Bosnien in den Medien kam war, dass eben diese Republika Srpska darüber abstimmte, ob der 9. Januar ein Feiertag dort seien sollte. An diesem Tag wurde 1992 die Republika Srpska ausgerufen, was mitunter den Krieg in Bosnien auslöste (wenn ich das richtig verstanden habe). 99,8% sprachen sich dafür aus. 2018 ist ein weiteres Referendum in der Republika Srpska geplant: Die Unabhängigkeit von der Föderation Bosnien-Herzegowina. Voneinander Unabhängig erzählten uns Bosnier, dass sie deswegen Angst vor einem weiteren Krieg haben.  

 

Deshalb waren wir auch sehr gespannt und um ehrlich zu sein ,war ich auch etwas nervös, da letztes Wochenende Wahlen waren. Doch alles blieb ruhig. Wer jetzt genau gewonnen hat und was das bedeutet kann ich nicht genau sagen, da das Regierungssystem oft als „kompliziertestes Regierungssystem der Welt“ bezeichnet wird. Grund dafür ist unter anderem, dass es drei Staatspräsidenten gibt (einen kroatischen Bosnier, einen serbischen Bosnier und  ein Bosniake), die jeweils 8 Monate „regieren“. Außerdem besitzen Republika Srpska und die Föderation Bosnien-Herzegowina eine eigene Legislative und Judikative. Als ich eine meiner Kolleginnen fragte, wie das jetzt genau mit der Politik ist meinte Sie nur, dass es besser sei, je weniger ich weiß.

 

Aber auch das was ich mitbekomme, bringt mich zum Nachdenken.

 

 Einmal bin ich schon durch die Republika Srpska gefahren. Dort hingen überall Serbienfahnen und Vieles war zuerst auf Kyrillisch geschrieben. Einerseits fand ich das komisch, weil es Bosnien-Herzegowina ist, und dort auch Nichtserbische-Bosnier leben. Wenn sie sich andererseits selbst Serbien zugehörig fühlen, wer kann da sagen, was richtig ist? Und wie lange halten Trennungen eines Landes, man denke an das geteilte Deutschland? Aber wäre es nicht auch ein geteiltes Land, wenn die Republika Srpska nicht mehr zu Bosnien-Herzegowina gehört?

 

Und natürlich die Abwanderung. Viele Männer arbeiten im Ausland, die Jugend geht ebenfalls. Und wer kann es ihnen verübeln? Langezeit haben sich die Politiker dagegen gesträubt, eine Volkszählung durchzuführen, weil sie dann Fakten hätten über das Ausmaß der Abwanderung. Das zeigt, dass sie genau wissen, wie es steht, aber nichts dagegen tun wollen oder können. Aber gibt es überhaupt eine Lösung?

 

 

 

So, das waren ein paar meiner Eindrücke. Ich möchte nochmal deutlich klar stellen, dass das alles nur meine persönlichen Empfindungen sind und ich versuche euch, sie und meine Sicht darauf, näher zu bringen. Es ist also kein einwandfreies Bild!

 

 

Ich wünsche euch einen schönen Herbst.

 

 

Alles Liebe!

 

Eure Franzi

 

 

 

 



beim Lernen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schafhäuten, Schaffleisch und Baklava

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13.09.2016: So viel Neues!

 

Und schon sind wir seit über einem Monat hier. Irgendwie ging der schnell vorbei, aber es hat sich auch so viel ereignet! Nach den ersten Eindrücken, die ich in meinem letzten Blogeintrag beschrieb, habe ich Bosnien jetzt intensiver und weniger oberflächlich kennen gelernt. Aber wir lernt man ein Land und seine Kultur eigentlich kennen? Bei mir ist das auf jeden Fall ein Prozess. Zuerst die Äußerlichkeiten, dann Sprache, dadurch die Einwohner und durch sie die Kultur. Baer jetzt erstmal der Reihe nach, auch wenn es mir schwer fällt alles logisch aufzubauen, weil mir zu den verschiedenen Dingen immer wieder neue Ergänzungen einfallen… Ich hoffe ihr könnt mir folgen, oder verstehen, wie es mir hier manchmal geht.

 

 

Nach meinem letzten Blogeintrag fing dann unser Sprachkurs statt. Der befand sich im AGORA, ein Kulturzentrum, das für uns hier der Mentor ist. Unsere Sprachlehrerin studiert Deutsch und brachte uns zwei Wochen, jeden Tag drei Stunden die bosnische Sprache näher. Ich sag „näher“, da wir in der Zeit eigentlich nur Grammatik lernten. Doch für mich, die Sprachen lernen nie besonders geliebt hat, ist es sehr schwer. Z.B hat das Bosnische 7 Fälle statt vier, wegen diesen Verändern sich die Nomen und Adjektive und bekommen neue Endungen (-a/-e/-i/-u/-om/-og). Ich muss sagen, dass ich da noch immer nicht ganz durchblicke und einfach versuche munter die Endungen einfach wegzulassen oder irgendwas dran zu hängen… Besonders gut am Sprachkurs war außerdem, dass wir eine waschechte Bosnierin hatten, die uns deshalb all unsere Fragen zum Land, Do´s und dont´s,… auf deutsch erklären kann. Das ist echt goldwert.

 

Nach diesen zwei Wochen Intensivkurs hatte ich nochmal eine Woche frei, bevor ich mit dem Arbeiten beginnen sollte. Darauf habe ich mich sehr gefreut, da das tägliche „Nichts tun“ und einen geregelten Tagesablauf fehlten, weshalb ich mich sehr unnütz fühlte.

 

 

Und dann durfte ich endlich zum Arbeiten! Den ganzen Weg habe ich mir einen bosnischen Satz zurecht gelegt um zu sagen, dass ich der neue Volunteer bin. Ich kam an und ich habe einfach niemand gesehen. Ich finde es eh schon immer etwas seltsam, wenn ich neu irgendwo hinkomme, aber wenn man dann auch die Sprache kaum spricht und Schilder nicht wirklich versteht, ist das alles nochmal etwas komischer. Doch auf der Dachterasse fand ich dann einen Haufen gutgelaunter, laut schwatzender Bosnier, die mich herzlich aufnahmen. Bald stellte ich fest, dass die meisten meiner Kollegen wenigstens ein bisschen Englisch sprechen, was die Kommunikation erleichtert. Nach einer halben Stunde durfte ich dann wieder gehen, da meine Kollegin, mit der ich zusammen im „Kunstatelier“ arbeite erst am nächsten Tag kommen würde. So kam ich am nächsten Tag wieder und lernte sie kennen, und räumten den ganzen Tag und die restliche Woche unser Zimmer ein, da es frisch gestrichen wurde. Mittags wurde dann ausgiebig Pause gemacht, während der natürlich bosnischer Kaffee getrunken und viiiel geschätzt und gelacht wurde. Dabei ist es eine sehr ungewohnte Situation, so gut wie gar nichts zu verstehen, besonders wenn man seinen Namen hört, das Wort „Deutschland“ oder „Voluneer“ fällt.  Umso schöner ist es, wenn ich manchmal ganze Sätze verstehen kann, worüber ich mich sehr freue, während meine Kollegen immer ganz begeistert sind, wenn ich bosnisch spreche. Auch kann ich immer mehr im Alltag verstehen, was natürlich motiviert und Freude macht.

 

Nach einer Woche in meiner Arbeit kamen dann erst „meine Künstler“, da das „Koraci Nade“ davor noch geschlossen war, da wir einen neuen Boden bekommen haben (eigentlich sollte der schon Anfang August fertig sein, am Wochenende bevor alle Schüler kamen (also Anfang September) war er dann endlich da). Die meiste Zeit sitze ich auf meinem Stuhl, schaue beim Malen zu, gebe neue Blätter, male Weihnachtsvorlagen (wir haben zwar immer noch immer so um die 27 Grad, aber gut ;-)) oder helfe beim Ketten basteln, in dem ich sage welche Farbe als nächstes kommt. Doch so viel Routine ist bei mir noch nicht eingekehrt, da wir erst seit einer Woche richtig offen haben, Dienstags aber keine Schüler kommen und wir am Mittwoch im Kino waren.

 

 

Auch außerhalb der Arbeit kommen wir in Kontakt. Ca. einmal die Woche gehen wir zu unseren Nachbarn zum –ja was wohl?- Kaffe trinken. Obwohl ich in Deutschland kein Kaffeetrinker war, bin ich gerade auf dem besten Weg einer zu werden, da hier zu jeder Gelegenheit und Uhrzeit Kaffee getrunken wir (Nein, bosnischen Kaffee Abends zu trinken ist keine gute Idee, außer man will die gesamte Nacht wach bleiben :D ). Da unsere Nachbarin deutsch spricht ist das sehr gut, da wir dann den deutschen Begriff sagen und uns der bosnische erklärt wird. Dadurch haben wir schon einige Wörter gelernt. Durch den offenherzigen Kontakt kam ich hier in Bosnien viel besser an, da Kontakt zu Einwohnern das A und das O in einem neuen Land sind. Es ist doch etwas anderes, wenn man was im Internet/Buch liest oder einem wirklich erzählt wird. Ein Beispiel das große Problem „Arbeitslosigkeit“. In allen Familien, die wir besser kennen gelernt haben gibt es mindestens ein Mitglied, dass im Ausland arbeitet. Bei einer Familie arbeiten alle, bis auf die Mutter in Deutschland. Die Männer sind oft Monate lang weg, da sie im Ausland Geld verdienen. Auch für junge Leute, die ja motiviert sind und arbeiten wollen gibt es hier kaum Arbeit, die dann meist schlecht bezahlt wird.  Das hat mich schon sehr berührt! Die Frauen, die monatelang alleine sind (das erinnert mich an die Frauen während des Krieges) und die Männer, die weit weg von der Familie schuften. Dann die jungen Leute, die Ja auch Träume und Wünsche für ihre Zukunft haben, aber keinerlei Hoffnung in ihrem Land haben und es deshalb verlassen. Das ist natürlich ein Teufelskreis, weil dadurch die junge Bevölkerung geht und das Land, das ich persönlich wunderschön und reich an Kultur ansehe, ausblutet. Aber wer kann es ihnen verübeln, dass sie gehen um sich eine Zukunft aufzubauen?

 

Was wir noch von unseren Nachbarn lernten war die Musik. Einige Abende hatten wir schon Musik aus naheliegenden Häusern gehört. Offensichtlich wurde sie selber gemacht, d.h die Männer spielen Akkordeon und singen dazu. Ich mag diese Musik sehr, weshalb ich dann oft, wenn wir solche Musik hörten, „zufällig“ auf unserem Balkon rumsaß… An einem Abend bei unseren Nachbarn war es dann soweit: Die Söhne der Nachbarin holten ihre Akkordeons (hier Harmonika genannt) heraus und haben für uns gespielt und gesungen. Und ich muss sagen ich bin immer noch beeindruckt! In meinem Freundeskreis ist es absolut nicht Gang und Gebe einfach am Abend zusammen Volkslieder zu singen (was auch noch schön klingt) und dabei anscheinend so emotional damit verbunden zu sein. Dann kam die Mutter auf die Idee, dass Hanna und ich jetzt lernen würden, wie man den tanzt. So haben wir Schritte gelernt und waren dann froh, als wir es einigermaßen hinbekommen haben. Doch plötzlich wurde „bosnischer Freestyle“ getanzt und um ehrlich zu sein tanzte uns die Mutter (vermutlich so Mitte-Ende 40) locker an die Wand :D

 

Was natürlich nicht unerwähnt bleiben darf ist der Bajram. Eigentlich dauert dieser 4 Tage lang, aber ich habe nur die ersten zwei Tage frei (also gestern und heute). Schon am frühen morgen und immer wieder am Tag hörten wir vermutlich Luftgewehr-Schüsse. Es wird daran erinnert, dass Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte. Deshalb wird traditionell ein Schaf geopfert. Wir staunten nicht schlecht als wir entdeckten, dass auf der Wiese vor unserem Haus zwei Männer dabei waren ein ganzes ausgewachsenes Schaf zu häuten. Da wir uns beim Zuschauen nicht sehr unauffällig anstellten wurden wir eingeladen doch runter zu kommen und zu zuschauen. Das taten wir dann auch. Einer der Männer konnte Deutsch und erklärte uns ein bisschen, was sie taten und wir durften das gehäutete Schaf auch mal anfassen (ja, ich bin ein Stadtkind), während wir es dann doch ablehnten selber mal ein bisschen zu häuten. Als es dann Zeit war die Innereien dann raus zu nehmen, beschlossen wir wieder zu gehen. Traditionell behält eine Familie ein Drittel des Schafes, ein Drittel geht an bedürftige und ein Drittel wird an Freunde verteilt. So bekamen auch wir ein Stück Schaf (waren wir jetzt Freunde oder Bedürftige? ;-D ) und Baklava. Der erste Abend wird (laut Internet) im Kreise der Familie gefeiert (vermutlich ist das in etwa wie Weihnachten für uns), während der zweite Abend mit Freunden gefeiert wird. So wurden auch wir Drei von einer Arbeitskollegin eingeladen. Etwas nervös (waren wir chic genug? Waren wir zu chic? Gab es irgendwas, was wir auf keinen Fall machen dürfen? Haben wir das mit der Einladung überhaupt richtig verstanden?...) folgten wir also der Einladung und bekommen ein absolut göttliches Essen, von dem wir sogar was mit Heim bekommen haben (Juhuu! Abendessen für morgen ist gesichert!).Bei all diesen Festlichkeiten fang ich dann schon an meine (Groß-)Familie und meine Freunde zu vermissen, aber das ist wohl ganz normal.

 

 

Ansonsten gibt es noch eine Veränderung in unserer WG: Wir bekommen Zuwachs. Ab morgen werden zwei deutsche Freiwillige in den zwei Zimmern über uns wohnen, und unser Bad und unsere Küche mit verwenden. Unser inzwischen eingespieltes WG-Leben wird sich also nochmal etwas verändern, wenn auch nur für drei Monate. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie das wird.

 

Außerdem geht es bald mit unserer Mentorin in Krankenhaus, um einen ausgiebigen medizinischen Test zu machen, damit wir unser Visa (von dem ich gar nicht wusste, dass wir es noch nicht haben :-D ) bekommen.

 

Das war es von meiner Seite. Es ist etwas viel geworden, aber irgendwie erschien mir so einiges erzählenwert.

 

Einen guten Schulstart den Schülern, deren Eltern und Lehrern und noch schöne letzte Sommertage!

 

Liebe Grüße aus dem schönen Tuzla!

 

Franzi



Ankunft in Tuzla nach 14 Stunden Busfahrt

 

 

 

 

 

 

 

Salzsee,

Tuzlas Innenstadt

und Simin Han, der Vorort wo wir wohnen

 

 

 

 

 

Die Bilder werden größer, wenn man sie anklickt :-)

06.08.2016: Endlich in Bosnien!

 

Jetzt bin ich schon seit Dienstag hier in Tuzla und ihr habt noch nichts von mir gehört. So richtig los ging es bei mir aber schon am Samstag. Alles auf einen Haufen legen, was ich für ein Jahr brauche. Aber irgendwie war es dann doch etwas viel und es wurde nochmal alles ausgepackt und neu eingepackt. Den Montagmorgen verbrachte ich nochmal ganz entspannt in der Münchner Innenstadt mit Johannes, der in der vorherigen Nacht bei mir ankam. Die Aufregung wuchs, und schon hieß es: Ab zum Busbahnhof. Dort standen wir drei ganz aufgeregt und warteten auf den Bus, der auf sich warten ließ. Nach einigem Hin- und Her, weil es Probleme mit einigen unserer Tickets gab, saßen wir dann endlich im Bus nach Tuzla. Jetzt ging es also richtig los. Unsere Mitreisenden waren nur Bosnier, von denen, zu unserem Glück, auch einige Deutsch sprachen sodass sie die bosnischen Ansagen des Busfahrers für uns übersetzen konnten. Das half uns auch sehr dabei, als wir nachts um 24 und dann nochmal um 2 Uhr aussteigen und unsere Pässe zeigen mussten. Ja und dann waren wir in Bosnien angekommen und ich musste feststellen, dass es hier wirklich anders aussieht als in Deutschland.  Die Häuser erinnern mich an Kroatien, es ist hügelig (auch Tuzla liegt in einem Tal), aufgrund der vielen unbebauten Flächen sehr grün und unglaublich heiß. Nach 14 Stunden Busfahrt kamen wir dann eine Stunde zu früh in Tuzla an und wurden dort von unserem Vorgänger Julian abgeholt. Das war wirklich sehr praktisch, da er uns die Stadt und für uns wichtigen Orte (Arbeitsstellen, Anlaufstellen, Bushaltestellen,…), aber auch gute Cafés und schöne Plätze zeigen konnte.

 

In den ersten Tagen gibt es schon viel Neues für mich: Ich war das erste Mal in meinem Leben in einem Salzsee schwimme  (Tuzla hat die einzigen drei Salzseen Europas). Was ich auch das erste Mal hier gehört habe, ganz gleich ob man in der Stadt ist, oder in Simin Han den Vorort in dem wir wohnen, ist der Muezzin der fünfmal am Tag ruft. Doch allmählich gewöhne ich mich daran. Dann ist da noch das mit der Sprache: Ich spreche mal abgesehen von ein paar wenigen Wörtern kein Bosnisch. Deshalb ist es komisch unterwegs zu sein und nicht alles verstehen zu können. Umso größer ist natürlich die Begeisterung, wenn ich ein mit dem deutschenverwandtes Wort entdecke oder eines, dessen Bedeutung ich schon kenne.  Was mir richtig Spaß macht ist hier zu essen. Jeden Tag probieren wir etwas Neues. Mal ein Fladen oder ein Cevapi , mal eine riesen Wassermelone oder dann doch ein bosnisches Gebäck. Zum Glück gibt es in diesem Bereich noch viel zu entdecken… ;-) Seit Donnerstagmorgen sind Johannes, Hanna und ich nun ganz „alleine“. Julian ist abgereist und unser WG-Leben beginnt. Wir haben unsere Wohnung erstmal umgeräumt und eingerichtet, damit wir hier ein Zuhause haben. Ansonsten  gibt es die ein oder anderen Dinge, die wir noch etwas ausfeilen müssen: Wie das mit den richtigen Mengen für drei Personen ist, überhaupt erst alles im Haus zu haben was wir brauchen (Brot, Wasser, etwas zum Abendessen,… ;-) ), waschen, Wäsche vom Balkon reinholen wenn es regnet,… Aber man wächst ja bekanntlich an Herausforderungen.

Glücklicherweise haben wir auch etwas Unterstützung, wie beispielsweise von unserer Vermieterin. Gestern begab sie sich mit uns auf eine kleine Odyssee von einem Amt zum anderen, da diese entweder zu waren oder unseren Antrag für unsere Aufenthaltsgenehmigung nicht bearbeiten konnten. Als wir dann endlich das richtige Amt gefunden haben war da wieder das Problem mit der Sprache, bei dem wir ohne sie aufgeschmissen gewesen wären. Aber jetzt sind wir in Tuzla registriert und haben unsere Aufenthaltsgenehmigung für Bosnien. Am Montag beginnt unser Sprachkurs. Stück für Stück kommen wir hier also immer mehr an.

 

 

Liebe Grüße und auf bald!

 

Eure Franzi